Der Launch des neuen High-End Geräts von BlackBerry rückt immer näher. Jahre nach dem Torch wird es also wieder ein Smartphone von BlackBerry mit ausziehbarer Tastatur geben. Das wirkliche Novum ist jedoch das Betriebssystem. Seit der Existenz von BlackBerry als Smartphone-Pionier setzte man stets ein eigenes Betriebssystem ein. Nun folgt das BlackBerry Priv mit Android. Wie kann das zusammenpassen?

Mit der strategischen Fokussierung des Unternehmens durch John Chen auf Lösungen für Unternehmenskunden und Regierungen war klar, dass Ressourcen innerhalb des Unternehmens verschoben werden mussten. War bisher der Consumer mit diversen Hardware-Produkten Bestandteil der Zielgruppe von BlackBerry, rückte er nun in den Hintergrund. Ursächlich dafür waren auch die schwachen Verkaufszahlen des ersten BlackBerry 10 Line-Ups. Man hat den Kampf um den typischen Consumer an Apple und Googles Partner verloren.

Da Chen den weiteren Weg des Unternehmen in der Bereitstellung von sicheren Lösungen für größere Unternehmen und Regierungen sieht, waren Zukäufe zur Erweiterung der Mobile Device Management Lösungen ein logischer Schritt. Nebenbei wurde auch das bestehende Betriebssystem BlackBerry 10 an diese Anforderungen angepasst. Da kam es vielen Unternehmen gerade recht, dass BlackBerry günstige und beständige Smartphones wie das Z3, Leap oder das Classic nach Deutschland brachte. Mit dem Passport zeigte man dennoch die Innovationskraft, die noch in diesem Unternehmen steckt und damit auch anspruchsvolle Businesskunden sowie Consumer befriedigen konnte.
Ein Jahr nach dem Release des Passport hat sich die Welt jedoch weiter gedreht. Die Verkäufe der BlackBerry 10 Geräte sind weiterhin schwach, die MDM Sparte gewinnt dagegen an Fahrt. Unternehmen, die die Vorzüge von BlackBerry 10 erkannt haben und auf umfassende Sicherheit Wert legen, setzen weiterhin auf BlackBerry 10 Geräte. Doch viele Kunden schätzen es, in die Lösungen von BlackBerry auch Android oder iOS Geräte einbinden zu können. Zum einen laufen noch immer oder bereits seit längerem viele Applikationen in den Unternehmen auf anderen Plattformen als BlackBerry und zum anderen möchte selbst der Anwender im Unternehmen aus Gewohnheit häufig lieber ein Android oder iOS Gerät nutzen. Dazu passt es, dass man es nicht geschafft hat, beim Nutzer das besonders effiziente und effektive Betriebssystem BlackBerry 10 zu etablieren. Ein Grund hierfür kann die zwar angepriesene aber nicht optimal umsetzbare Ausführung von Android Apps sein.

Und hier kommt das BlackBerry Priv ins Spiel. Es wird die BlackBerry DNA wie jedes anderes BlackBerry verkörpern, in dem es spezielle Apps und eine physische Tastatur verwendet. BlackBerry kann so zeigen, dass ein sicheres und produktives Arbeitsgerät auch mit Android möglich ist. Android-Apps werden sich performant ausführen lassen und mit dem integrierten Google PlayStore hat man davon auch ausreichend zur Verfügung.
Mit diesem Weg wird man auch den typischen Consumer erreichen, der heute nie in Betracht ziehen würde, einen BlackBerry zu kaufen. Er wird die Situation von einer anderen Seite aus betrachten, denn er bekommt ein aktuelles und hochwertiges Android Smartphone mit einer vielgewünschten, physischen Tastatur. Dass der Start des Priv nicht das Ende von BlackBerry 10 ist, zeigt die Ankündigung von Chen, auch noch in 2016 das Betriebssystem mit Updates zu versorgen. Da mit diesem 10.3.3 Update jedoch keine größeren Features mehr umgesetzt werden, muss man den zukünftigen Fokus auf den Geräten powered by Android sehen. Damit kapituliert BlackBerry vor dem Willen der Nutzer. Für BlackBerry 10 wird dies bedeuten, dass wir hier nur noch Mittelklassegeräte sehen werden, denn bereits heute ist ein durchaus performantes Passport nur noch untere Oberklasse. Es ist davon auszugehen, dass sich auch die Strategie der Verkaufsbestrebungen verändern wird. Wer BlackBerry 10 will, wird genauer danach fragen müssen.
Doch schlussendlich steht und fällt BlackBerry nicht mit dem Betriebssystem, es lebt von der Idee eine produktive und sichere Umgebung für Kunden zu schaffen. Auf diesem Weg befindet man sich mit dem Priv. Vielleicht ist der Formfaktor des ersten Geräts von BlackBerry mit Android nicht jedermanns Geschmack. Gelingt dieser Einstieg auf Basis von guten Verkaufszahlen jedoch, können wir uns ein kleineres Fulltouch-Gerät sehr gut vorstellen. Um die Mission vergleichsweiser guter Verkaufszahlen zu erreichen, spielt auch der Preis immer eine Rolle. Nachdem nun der Vorverkaufspreis von 799€ bekannt geworden ist, könnte dies der Wendepunkt vom Erfolg des Priv werden, bevor es überhaupt veröffentlicht wurde. So liegt es auf Augenhöhe mit gut ausgestatteten iPhones und High-End Android-Smartphones. Ob die Käufer die Mehrwerte des Smartphone in dieser Region wertschätzen, bleibt abzuwarten. Für den Schritt offenbar unveränderliche Paradigmen aufzulösen verdient John Chen schon heute unseren Respekt. Die Chance ist gegeben, dass das Priv im hart umkämpften Android-Markt durch Tastatur und Software-Anpassungen einen kleinen Teil des Marktanteilkuchens abbekommt.

P.S.:

In diversen anderen Blogs, in unseren Kommentare und auf Facebook fällt auf, dass der o.g. Preis von 799€ des PRIV für Aufregung sorgt. Öfters lesen wir dann auch von Leuten, die sich das Gerät „dann eben einfach aus den USA bestellen“ und damit günstiger kommen wollen. Dazu an dieser Stelle ein kleines Rechenbeispiel (da Shopblackberry US nur an US Adressen versendet hier mit Borderlinx für den Versand, obwohl auch PO Boxen explizit ausgeschlossen werden):

 PrivCalc2

Wesentlich günstiger kommt man auf diesem Weg also nicht. Zusätzlich sollte man bedenken, dass nur in der EU auf eine zweijährige Gewährleistung zurückgegriffen werden kann. Das ändert allerdings trotzdem nicht den hohen Einstiegspreis für das Gerät, der auch im Ländervergleich ambitioniert bleibt. Wir sind gespannt, wie sich dieser nach einer Weile entwickeln wird.