Research in Motion, die Firma die uns jahrelang mit tollen Smartphones versorgte, steht vor dem schwierigsten Jahr seit der Exisitenz des Unternehmens. Große Probleme bereitet RIM dabei die Marktmacht anderer Plattformen wie Apple und Android, lange zögerte man auf ähnliche Entwicklungspfade wie die der Konkurrenz aufzuspringen. Seit 2010 versucht man sich nun auf dem unbekannten Segment der Consumerbranche. Bisher mit mehr oder weniger mäßigem Erfolg. So genau kann sich mir dabei noch keine genaue Unternehmensvision erschließen. Daher bleibt die Frage: Wie geht’s jetzt weiter RIM?
RIMist nicht neu in der Mobilfunkbranche. Im Gegensatz zu Apple können sie auf über 10 Jahre Erfahrung bei der Entwicklung von Smartphones zurückblicken. Doch allem Anschein nach hat ihnen diese Erfahrung nichts genutzt, vielmehr wurden Sie von Apple überrollt und haben insbesondere in den USA, vormals ein Land mit einer extrem hohen Verbreitungdichte von BlackBerry Smartphones, massiv an Marktanteil verloren. So scheint auch der Launch der OS7 Geräte keine Auswirkung auf diesen Trend zu haben.
Wirklich verwundern tut diese Tatsache nicht. Auch wenn die BlackBerry Smartphones in 2008 und 2009 mit Bold 9000 und Curve 8900 komplett überholt wurden und auch eine etwas optisch modifizierte Variante des BlackBerry OS eingeführt wurde, so reichte das einfach nicht aus, um dem vollkommen anderen Nutzungsstil des iOS paroli zu bieten. Das BB OS konnte immer damit glänzen, die Möglichkeit zu besitzen, erstaunlich gut auf den einzelnen Nutzer zugeschnitten zu werden. iOS war aber einfach anders, viele Nutzer empfanden es als sehr komfortabel aber auch simpel diese Geräte zu bedienen. Natürlich spielte dabei auch der „must-have“-Faktor eine große Rolle. Früher galt ein BlackBerry als so genanntes Statussymbol, zwischenzeitlich war es ganz klar ein iPhone, mittlerweile verschwimmen wieder die Grenzen und auch ein Galaxy S2 kann durchaus ein „Statussymbol“ sein.
Aber Statussymbol hin oder her, seit gut zwei bis drei Jahren kann RIM nicht mehr behaupten, mit anderen Plattformen Kopf-an-Kopf zu stehen. Das hat natürlich auch RIM erkannt und ergriff 2010 nach sicherlich reichlicher Überlegung die Initiative und erwarb die Mehrheitsanteile an der QNX Softwareschmiede. Wie bekannt ist, haben diese den Kernquellcode für das BlackBerry Tablet OS geliefert. Nach einer Ankündiung auf der DevCon 2010 erschien das Gerät dann nach mehrmaliger Verschiebung ganze 6 Monate später. Bis zuletzt wurde am OS geschraubt, beim ersten Einschalten wurden alle Nutzer gezwungen, ein Update des Systems durchzuführen. Dies war insofern unglücklich, als dass bereits Presse-Samples des Geräts mit älteren Softwareständen verteilt wurden und dementsprechend die Bewertungen hinter den Erwartungen zurückblieben. RIM konnte dann zumindest schnell das System stabil machen und dafür sorgen, dass die Features, die vorhanden waren, hervorragend funktionierten. Genau dies war und ist aber auch ein riesiges Problem, denn die Features waren nicht allzu zahlreich. Unter anderem fehlt bis heute native PIM, wodurch das Gerät schnell von vielen Nutzern als Kauf ausschlossen wurde. BlackBerry-Nutzern wurde das hervorragende BlackBerry Bridge an die Hand gegebenen, welches für diese somit das PlayBook wirklich als sinnvolle Ergänzung zum BlackBerry dastehen lies. Angekündigt als erstes Enterprise-grade Tablet konnte es also nicht einmal in den BES eingebunden werden. Dazu kam dann noch die Aussage von Co-CEO Jim Basilie, in etwa 60 Werktagen nach Veröffentlichung werde PIM auf dem PlayBook als Update verfügbar sein. Möglicherweise hatte er dabei eine null vergessen, denn wie bekannt ist, haben wir bis heute kein Update erhalten und es wird erst im nächsten Monat das angesprochene Update verfügbar sein. Das sind dann fast ganze 10 Monate nach dem Release des Tablets. Natürlich möchte man erreichen, dass das System auch wirklich funktioniert, nichts wäre schlimmer als die herausragende Unternehmenspräsentation beim Ausfall des BIS für 4 Tage im Oktober. Man hätte meinen können, zu diesem Zeitpunkt ist wirklich alles für RIM zusammen gekommen.
Nicht umsonst wurden die Stimmen nach einem Austausch der Co-CEOs Jim Basillie und Mike Lazaridis immer lauter. Unbestätigten Informationen zufolge wird daher Barbara Stymiest die Position der Aufsichtsratsvorsitzenden übernehmen, diesen Posten haben Jim und Mike ebenfalls inne. Stymiest sitzt seit 2007 im Kontrollausschuss von RIM. Sie gilt als besonders bankenfreundlich, da sie langjährig als COO der Bank of Canada tätig war. Daher würde sich mit Sicherheit der Einfluss der Banken auf RIMs Firmenpolitik deutlich verstärken. Ob das nun positiv oder negativ ist, sei dabei dahingestellt.
Mittlerweile muss man leider sagen, dass ich ohne Aufklärung der Risiken niemanden mehr in meinem Freundeskreis guten Gewissens einen Bold 9900 empfehlen kann. Es ist ansich ein wirklich tolles Gerät und das absolute cutting-edge BlackBerry von RIM, macht aber immer mehr Probleme rund um korrupte Systemdateien. Wer will schon mehrmals 517-Errors haben oder durchweg blinkende LEDs. RIM hat bereits zugegeben, dass es mit diesem Gerät in bestimmten Konstellationen Probleme gibt. Es wird wirklich Zeit, dass das BlackBerry 10 Betriebsystem Einzug in die Smartphone hält.
Auch wenn dieser Ausblick beinahe wie ein Nachruf klingt, so denke ich, ist es vor RIM noch nicht vorbei. Ein ganz bedeutender Faktor wird sein, wie bestehende BlackBerry-User das neue Betriebssystem BlackBerry 10 annehmen. Verwiegern diese RIM die Partnerschaft und wechseln zur Konkurrenz könnte es in der Tat schwierig für RIM werden.
Aber es muss nicht zwingend so weit kommen, wenn RIM die gestreute Saat richtig ernetet. So wartet man nicht nur bei BlackBerry-Freunden auf das Erscheinen der neuen BlackBerry 10 Geräte. Zwar ergaben sich angeblich bereits jetzt erste Verschiebungen, da die Entwicklung des BlackBerry „Milan“, ein Slider mit großem Touchscreen ähnlich des Torch 9800, gestoppt wurde. Dennoch wird BlackBerry 10 die letzte große Chance für RIM sein, auf dem Segment der Smartphones zu punkten. Insbesondere sehen sie sich dabei auch dem enormen Druck der Consumer-Sparte ausgesetzt, da diese immer größere Einflüsse auch auf den Business-Sektor hat. Viele „Manager“ würden gerne ihren BlackBerry durch ihr privates iPhone ersetzen, wenn dort eine gewisse Sicherheit sowie alle anderen Faktoren gegeben wären, die RIM im Business-Segment groß gemacht haben. Solange RIM hier noch den Vorsprung durch besondere Sicherheitstechnologien behaupten kann, kommen sie nochmal mit einem blauen Auge davon. Dennoch schmilzt dieser Vorsprung so konstant, stetig und schnell wie die Polkappen, weshalb sich ganz besonders die Kanadier nicht auf ihre Businesskunden verlassen sollten. Genau deshalb wird auch der gesamte Quellcode des BlackBerry Betriebssytems über den Haufen geworfen und durch neuen Code ersetzt, dessen hauptsächliche Bestandteile aus der Feder von QNX stammen. Doch was wird bis dahin passieren? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der 9900 bis in den Dezember diesen Jahres das absolute Top-Gerät von RIM bleibt, es besteht mit dem aktuellen Betriebssystem kaum noch Steigerungspotential. Es ist zwar durchaus möglich, dass ein technisches Facelift des Bold 9900 erscheint, in Form einer gesteigerten Akkukapazität und einer Kamera mit Auto-Fokus, aber ist das die Antwort auf ein iPhone 5 oder Samsung Galaxy S3? Ich kann es mir so recht nicht vorstellen und damit wird die Zeit bis dahin nur durch verhaltnissmässig gut ausgestattete Mittelklassemodelle überbrückbar sein. Aber auch dort sucht ein fulltouch Curve wie der 9380 bei einem Preis von knapp unter 300 € seine Zielgruppe. Dafür findet man wiederrum einen Torch 9860 für rund 360€ im Internet. Nun stellt sich die Frage, wer von den fulltouch Consumer sich jetzt noch einen Curve 9360 kaufen sollte.
Ganz besonderen Wert muss RIM dabei auf die Anpassung des BlackBerry Tablet OS / QNX OS auf die BlackBerry Smartphones legen. Würden sie zum jetzigen Zeitpunkt ein Smartphone mit einem nahen Derivat des Tablet OS legen, würde ich ein solches Smartphone nicht benutzten wollen. Kann man mit QNX zwar perfekt multitasken, so hindert es einen aktuell doch aber sehr stark in der dauerhaften Ausführung von Anwendungen ohne dass sie zum Beispiel im Karussell sichtbar sind. Zudem fehlt komplett eine äquivalente Substitution der BlackBerry Taste und dem damit verbundenen Menu. Diese Funktionen kann auf einem BB10 Smartphone auch nicht das bekannte „pull-down“ leisten. All das sind Probleme, die RIM in diesem Jahr angehen muss und hoffentlich lösen wird.
Ein erstes Aufbäumen konnten wir mit dem preview vom Tablet OS 2 erkennen. RIM musste nun wenigstens ein paar Neuerungen einbringen, die so auf noch keiner (Tablet) Plattform zu sehen waren. Dies wird zum Beispiel an der unified-Inbox deutlich, die neben Twitter, LinkedIn noch alle möglichen E-Mail Konten aufnehmen kann. Das man dabei auf das nicht gerade populäre ActiveSync als Mailconnector setzt, versalzt uns allerdings ein wenig die Suppe.
Immerhin kann parallel an mehreren Mail-Drafts gearbeitet werden und immer wieder problemlos zwischen eben jenen Entwürfen gesprungen werden. Dieses durchaus sinnvolle neuartige Feature wird ergänzt durch die Möglichkeit, das PlayBook vom BlackBerry aus fernsteuern zu können. Eine ganz besonders tolle Angelegenheit, wenn es um einen Partyabend mit Freunden geht und das Programm das PlayBook macht. Die Nutzung des Touchscreens aktueller BlackBerry Geräte mit der gut gelößten Integration der Bezel-Funktionen des PlayBooks macht es um ein großes Features für BlackBerry Smartphone User reicher. Die sonstigen üblichen Verdächtigen (da bereits seit vielen OS 2 Betas verfügbar) sind der neugestaltete Homescreen mit Ordner und selbst definierbaren Tabs. Nebenweiteren kleineren Gimmicks wie der slideshowToGo Steuerung über das BlackBerry oder den Lesemodus im Brower konnte RIM allerdings keine besonderen Neuerungen präsentieren. So bleibt die Frage, was uns die DevCon in Amsterdam im Februar noch bringen kann und ob wir möglicherweise auch in naher Zukunft mit einem PlayBook rechnen können, dass ein größeres Display als 7″ besitzt. Möglichweise wird es auch einfach nur ein 7″ PlayBook mit OS 2 und einem 3G Modul sein, dass dann hoffentlich nicht für 500€ eingepreist wird.
Zu RIMs Stärken, die sie groß gemacht haben, zählt unter anderem die absolute Zuverlässigkeit. Im letzten Jahr konnte dies mit dem 4 tägigen BIS-Ausfall nicht gerade unter Beweis gestellt werden. So kann man aber nur davon ausgehen, dass mit neuen Mailconnectoren im QNX-System eine hervorragende Stabilität von Anfang an hergestellt wird und man muss hoffen, dass der Einsatz der ActiveSync-Technologie nicht auf die Qualitäten des Systems schlägt. Alles andere wäre für die Marke, die mobiles Messenging populär gemacht hat auch mittlerweile mehr als der Untergang.
Eine überraschend realistische und nicht beschönigte Einschätzung. Das nenne ich mal unabhängige Berichterstattung. Das gefällt mir!
Guter Artikel! Ich hoffe eure Prognose mit einem 10 zoll Display wird wahr. Wenn ja, bin ich dabei. Sehe sehr viel Potenzial in qnx und bb os 10
Hoffe, dass Rim nicht aufgekauft wird.
Ich bin sehr zufrieden mit meinem BlackBerry und möchte Ihn auch nicht mehr missen wollen.
Ich verstehe die Kritik an den geplanten Wechsel zu ActiveSync nicht! Viele Klein- und Mittelbetriebe setzen auf MS Exchange und müssen dann nicht auch noch zusätzlich einen BES(x) einsetzen.
Auch im Consumer-Bereich gibt es mittlerweile für recht kleines Geld Hosted-Exchange Angebote, von daher ist das meiner Meinung nach eine richtige Entscheidung von RIM!
Hoffentlich verzichten sie in Zukunft auch noch auf die BlackBerry-Option, was IMHO eigentlich nur der nächste logische Schritt sein kann.
Mit ActiveSync wird erst einmal noch nicht die Netzinfrastruktur in Form des NOCs verschwinden, daher rechne ich nicht damit, dass die Abgaben für die Netzbetreiber entfallen. Zudem sind bei vielen Datenoptionen der größten Netzbetreiber in Deutschland bei Verträgen ab rund 25€ die BlackBerry Option inkludiert.
Es ist unsicher, ob man trotz ActiveSync überhaupt die kommenden BB10 Geräte direkt ohne Umweg über den BES an den Exchange hängen kann, da bisher der Datentransfer auch bei BES Lösungen über das NOC läuft. Darüber wird unter anderem die RIM-typische VPN Verbindung realisiert, die man sonst so nicht wiederfinden würde.
In Österreich ist das leider nicht so. Unsere Tarife sind zwar extrem preiswert (zB 1.000 Minuten in alle Netze, 1.000 SMS und unlimited Daten für schlappe 16 Euro monatlich), aber eine BB-Option ist leider nirgendwo dabei 🙁
Die Kunden sehen dann einfach nicht ein, dass sie für einen BlackBerry noch mal 10 Euro monatlich berappen sollen. Obendrein funktioniert damit dann noch nicht mal die Synchronisation von Kontakten und Kalender OTA wie beispielsweise beim iPhone oder Android.
Frühher war das sicherlich mal berechtigt, aber heute kann jedes Smartphone mit einem Exchange Server dank ActiveSync abgeglichen werden.
Ist natürlich nur meine Meinung!
Das ist natürlich sehr schade. Bei den angesprochenen 16€ für den Grundvertrag sind dann natürlich 10€ schon ein massiver monatlicher Preisaufschlag. Hier ist dann sowohl RIM als auch der Netzprovider gefordert, wobei bei solch niedrigen Grundgebühren nicht mehr sonderlich viel Handlungsspielraum bleibt, irgendwie die BB-Option mit in den Vertrag ohne Aufpreis zu integrieren.
Eine OTA-Synchronisation kannst du allerdings auch ohne BES z.B. mit google Mail (auch hosted google solutions) verwenden. Eine Synchronisation mit ActiveSync ist natürlich anderswo möglich, jedoch immer – im Vergleich zur BlackBerry Plattform – auf Kosten der Sicherheit.
Ich selbst verwende meinen Bold 9900 mit Exchange und BESx, um Google mache ich so gut es geht einen großen Bogen 😉
Trotzdem freue ich mich, wenn ich den BESx von meiner Festplatte fegen und den BlackBerry direkt mit meinem Exchange Server synchronisieren kann. Meiner Meinung nach ist der BESx ziemlich mistig programmiert und geht auch nicht gerade sparsam mit den vorhandenen Ressourcen um.